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Ralf P. Krämer

Aqua Vitae -- Wendelieder

Wendelieder

Aqua Vitae

Es gibt nur einen Gott

Millenium



Ralf P. Krämer

Wendelieder

geschrieben im Februar 1990

Das Lied vom Ochsen und vom Esel

Ein Ochse und ein Esel,
die hatten einen Streit:
Wer wohl die Welt aufhalte
in ihrem Lauf der Zeit?

Der Ochse brüllt: „Das kann ich!“,
und stemmt sich furchtbar ’rein.
„Ich aber kann es besser!“
fiel gleich der Esel ein.
Sie mühten sich vergeblich

- wohl richtig war der Spruch.
Doch der ihn tat voll Dünkel,
den trifft nun Volkes Fluch.

Zu singen nach der Melodie

„Ein Kuckuck und ein Esel,
die hatten einen Streit“


Ralf P. Krämer

Spitzellied

Wer will fleißige Spitzel sehn?
Ei, der muss zur Stasi gehn.
Horch und Guck,
Horch und Guck -
du warst im Knast,
das ging ruck-zuck.

Zu singen nach der Melodie

„Wer will fleißige Handwerker sehn“


Ralf P. Krämer

Hymne

Aufgewachsen mit Ruinen,
das Parteibuch in der Hand,
hatten wir gelernt zu dienen
unserm teuren Vaterland.

Apparatschiks wollten zwingen,
drohten mit des Volkes Feind -
grad drum muß uns jetzt gelingen,
daß die Sonne schön wie nie
über Deutschland scheint.

Zu singen nach der Melodie der
Nationalhymne der DDR



Ralf P. Krämer

Stadtbürger Nachtlied

oder die Generalamnestie
Der Knast ist aufgegangen.
Sie sind nicht mehr gefangen,
der Hehler und der Dieb.

Das Volk staunt nur und schweiget,
und in die Häuser steiget
der Rückfalltäter gar nicht lieb.

Zu singen nach der Melodie
„Der Mond ist aufgegangen“


Ralf P. Krämer

Am Brunnen vor dem Tore

(Trabbi-Lied)

Am Brunnen vor dem Tore,
da stand ein Lindenbaum,
vergilbt sind seine Blätter,
dahin ein schöner Traum.

Ich fuhr mit meinem Trabbi
am Tag zweimal vorbei,
half mit, ihn zu vergasen -
ach, Lindenbaum, verzeih!

Zu singen nach der Melodie
„Am Brunnen vor dem Tore“


Ralf P. Krämer

  Aqua Vitae

Melancholie

(gewidmet allen ehemaligen Funktionären)

Dunkel blüht der Rhododendron
schwül in einer Maiennacht.
Hörst du jenen fremden Ton,
der das Herz dir bange macht?

Manchmal hoffst du noch auf Wunder –
und die Zeit rinnt Tag um Tag.
Pfeif' doch auf den ganzen Plunder,
den die Welt statt deiner mag.

Kläglich leise klingt dein Pfeifen,
nur die Welt tönt schrill und laut.
Wirst du es denn je begreifen,
daß dir niemand mehr vertraut?

Mai 1990


Ralf P. Krämer

Aqua vitae
oder
Bekenntnis eines anonymen Alkoholikers

von ***

Ich seh' klar, wenn Ganglien sich küssen –
und möcht' das aqua vitae nicht mehr missen.
Der Stoff, den ich zum Leben brauche
schmeckt schal, als wäre es nur Jauche.
Doch, trink ich ihn noch jeden Abend –
am Glase meine Seele labend.

Herbst 2000


Ralf P. Krämer

Deutschland

Deutschland –
bist du mein Heimatland?
Deutschland –
des Glückes Unterpfand?
Deutschland –
mehr Liebe als Verstand?
Deutschland –
ja, du bist mein Land!

29.10.2000


Ralf P. Krämer

Silberhochzeit in Brandenburg

Ein Prosit der Gemütlichkeit –
die Grillen zirpen leis dazu.
Ich sitze hier am Havelstrand,
und in den Wipfeln wäre Ruh' ...

Doch im Saale dröhnen die Synkopen
von silbernen Scheiben rund.
Es tanzen in verschwitzten Roben
sich Mann und Frau die Füße wund.

Da hilft kein Bier, da hilft kein Wein,
und auch Entfliehen nützt nicht viel.
Ein Hochzeitstag muß wohl so sein ...
Das ist der typisch deutsche Stil.

August 2001


Ralf P. Krämer

Elegischer Aufbruch

Einsam sitz' ich in der Kneipe,
denke, was wohl ist des Lebens Sinn,
wenn ich den Zeitenstrom hinunter treibe
und am End' ein Garnichts bin.

Ich trink' mein Bier, es schäumt im Glase
– der Rundfunk meldet nur Blabla.
Das Schicksal dreht mir eine Nase.
Und doch, verdammt, ich bin noch da!

Nun grad erst recht will ich's jetzt wissen,
wie groß der Irrtum wirklich war.
Oder hat gar jemand JWG verrissen ...?
„Es irrt der Mensch, solang ..." – wie wahr!

Dann steh' ich auf und geh' die Straße,
sie führt hinan und doch bergab.
Ich wollt', mein Name wäre Hase,
und müßt' nicht seh'n den alten Bettelstab.

Den alten Stab, den neu getüncht
das Einheitsvolk sich hat erkämpft
– ein Wechselbalg, so nicht gewünscht,
hat rasch die Bruderlieb' gedämpft.

Kein Ruf braust mehr wie Donnerhall:
„Wir sind das Volk!" – Das war einmal.
Und wenn auch mancher manchmal motzt,
dem tumben Stumpfsinn wird getrotzt!

Ich denke dies und schaue auf,
befreit vom Nebel ist mein Sinn.
Vertrauend still der Welten Lauf,
schreit' ich fürbaß die Straße hin.

Mai/November 1993


Ralf P. Krämer

Es gibt nur einen Gott

Es gibt nur einen Gott

Gewidmet den Kindern, die in unzähligen Kriegen seit Menschengedenken getötet wurden und noch getötet werden

Es gibt nur einen Gott
sagen die Christen
Es gibt nur einen Gott
sagen die Juden
Es gibt nur einen Gott
sagen die Moslems
Nach den Gesetzen der Logik
heißt das:
Es gibt nur einen Gott
wenn es ihn gibt ...
Im Namen dieses Gottes
morden – Moslems
morden – Juden
morden – Christen ...
Und der EINE Gott läßt es zu?

ER läßt es zu!

16.10.2001


Ralf P. Krämer

Gott?


Ralf P. Krämer

Millennium

Eine Büttenrede

Als einstmals Jesus ward ans Kreuz genagelt,
dem St. Peter die bekannte Silie drum verhagelt,
Asterix und Obelix und Idefix
den Caesar ärgern - als wär’s nix,
der lieber mit Cleopatra im Eselsmilchbad schwimmt,
dacht’ jene nur:
Das nächste Millennium kommt bestimmt.

äonen früher, es steht in alten Schriften -
die Kontinente begannen grad auseinander zu triften,
da streifte ein Komet den Schachtelhalmplaneten
und fuhr den Sauriern gar mächtig in die Gräten.
Ein T-Rex beim letzten Frühstück denkt ergrimmt:
Das nächste Millennium kommt bestimmt.

Nur wenig später, so circa zig Millionen Jahre -
Herrn Däniken wachsen darob noch heute graue Haare.
Ein neuer Komet, ein alter Vulkan,
der einst das reiche Atlantis verschlang?
Herr Plato, der wußt’ es bestimmt:
Das nächste Millennium kommt bestimmt.

Und wieder vergingen an die 5000 Jahr.
In Ägypten errichtet eine fleißige Schar
von Sklaven die Cheops- und andre Pyramiden.
Acht Wunder gibt’s seither hienieden -
der Baumeister still über seinen Skizzen sinnt:
Das nächste Millennium kommt bestimmt.

Es lagen, so weiß es ein Lied zu berichten,
die alten Germanen an den Ufern des Rheins.
Und während die einen den Varus vernichten,
soffen die anderen immer noch eins.
Herr Tacitus beim Mete ein Lallen vernimmt:
Das nächste Millennium kommt bestimmt.

Hunnen, Slawen, Kelten und Germanen
wollten weg vom Orte ihrer Ahnen.
Sie ergriff die große Reisewelle,
nicht ein Volk blieb an der Stelle ...
Oh, wie es die Kartographen grimmt:
Das nächste Millennium kommt bestimmt.

Das Reisen ging weiter zu Land’ und zu Wasser.
Columbus erkannte, der Erdball ist nasser
als die Alten in die Bibel schrieben
(nebenbei wurden in Gottes Namen ein paar Indios vertrieben) -
ein Inka-König das Leben sich nimmt.
Sein letztes Wort:
Das nächste Millennium kommt bestimmt.


Die Zeiten verflossen, man nennt das Geschichte,
ihr Mantel gar manchen umweht ...
Der Mensch fliegt zum Mond, schreibt Liebesgedichte
und ist im Kopf noch ziemlich verdreht.
Vieles ist offen, doch eines, das stimmt:
Das nächste Millennium kommt bestimmt.


Ralf P. Krämer

Dezember 2000

Ich tret' hinaus
auf den Balkon –
schneekalt die Luft
vier Stock über der stillen Straße.
In der Ferne knallen Raketen.
Zu früh.

Das Millenium hat noch nicht begonnen.

30.12.2000



Post an Ralf P. Krämer: rpk@ralfpeter-kraemer.de

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